Was für ein merkwürdiges Erlebnis, nach Jahren noch einmal in Hohenems zu sein, dem Städtchen, in dem ich nach einer Recherchereise das Leben der Erbtante aus meinem Roman "Leben Lieben Erben" verortet habe. Fiktion und Wirklichkeit mischten sich in meinem Kopf auf sonderbare Weise. Schon wollte ich die Tante auf dem Friedhof besuchen, als mir klar wurde, dass sie dort nur in meiner Fantasie beerdigt ist. Und als ich sah, dass das Haus eingerüstet war, das mir als Vorbild für ihre Villa gedient hatte, war ich an Stelle der Tante empört. Die Psychologie weiß ja schon länger, dass unsere Erinnerung nicht unbedingt den Fakten entspricht. Aber dass sich angesichts der Orte in Hohenems meine Fiktion lebendiger anfühlte als die Fakten, das lässt mich mit neuem Blick auf Politiker blicken, welche sich die Realität zurechtbiegen. Es sind gar keine Lügner, es sind Romanautoren, die ihrer Fantasie mehr glauben als der Wirklichkeit.
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Mein Lesetipp
Gabrielle Zevin: "Morgen, Morgen und wieder Morgen" 560 Seiten satte Lektüre. Mich, eine Nicht-Spielerin und Nicht-Gamerin hat die Geschichte von zwei amerikanischen Spiele-Entwickler*innen in den Neunziger und Nuller Jahren dermaßen in den Bann gezogen, dass ich kaum aufhören konnte zu lesen. Denn ich erfuhr zwar auch allerlei über die Frühzeit der Internetspiele, aber eigentlich geht es um Menschen, um Freundschaft, um unkonventionelle Facetten von Liebe, um Erfolg und Niederlage, um Verrat und Entfremdung. Und immer wieder um das Leben als Spiel, um die Flucht vor dem Leben ins Spiel, und um das sich wiederfinden im Spiel. Es geht ums Erwachsenwerden, um beschädigtes Leben, um Verluste und schließlich ums älter werden, um eine Konfrontation mit der neuen Generation, die ganz anders tickt. Wo die Älteren noch versuchten, ihre Traumata schamhaft zu verbergen, scheinen die Nachfolgenden sie stolz vor sich herzutragen… Für mich hätte das Buch noch ein paar hundert Seiten mehr...
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