Abenteuer Einkaufen




Es stehen verschiedene Geburtstage meiner Lieben an. Da ich ihnen wenigstens per Post etwas zukommen lassen möchte, durchbreche ich meine freiwillige Isolation, um nach Tagen mal wieder einkaufen zu gehen. Ich rüste mich aus wie für eine Expedition: In meinem Badezimmerschrank habe ich eine Packung nie benutzten Mundschutz gefunden. Dazu stecke ich Einmal-Gummihandschuhe ein, vor langer Zeit gekauft, um rote Beete schälen zu können, ohne meine Hände zu verfärben. Die Haare sollen Viren einfangen. Also verstecke ich sie unter einem Hut. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet: Lange Warteschlangen, um eingelassen zu werden? Leere Regale? 
Und dann nichts von alledem. Ich bin ich glücklich wie noch nie, dass ich in einer Kleinstadt wohne. Die Läden sind leer, aber nicht ausgestorben. Abstände werden eingehalten, die Regale sind weitgehend voll. Zwei junge Männer entdecken sogar Klopapier. Sie lachen: "Die nächsten 14 Tage sind gesichert". Klopapier ist zum running Gag geworden. Nicht witzig finde ich allerdings, was heute klein auf Seite drei der täglich dünner werdenden Zeitung stand: Da zunehmend Zellstoffstücher und anderes in der Kanalisation landet, drohen Verstopfung und Verunreinigung. 
Ich frage mich, warum das nicht groß als Warnung auf der Titelseite war. Und dazu auf Seite drei ein Artikel darüber, dass ganze Völker ohne Klopapier auskommen, da sie Wasser benutzen, um sich zu reinigen. 

Mein Mund-Nasenschutz erweist sich als höchst unpraktisch: Meine Brille beschlägt und ich sehe nichts mehr. Also nehme ich ihn von der Nase weg und lasse nur noch den Mund bedeckt. Die Kassiererin trägt ohnehin keinerlei Schutzkleidung, und sie sitzt den ganzen Tag hinter ihrer Plexiglasbarriere. Hoffentlich bietet die genügend Schutz. Ich stelle fest, dass ich zutiefst dankbar dafür bin, dass sie überhaupt da sitzt. Erst in dieser Lage wird mir bewusst, dass ausgerechnet die systemrelevanten Berufe verdammt schlecht bezahlt werden. Mit dieser Einsicht bin ich offenbar nicht die Einzige. Jedenfalls sind alle bemerkenswert geduldig und freundlich. Es kommt mir vor, als sei die ganze Welt in einem Achtsamkeitsseminar gelandet. Wir haben es zwar nicht freiwillig gebucht, aber nun sind wir drin. Mal sehn, was es mit uns macht.

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